Das Ölbild „Fürst Ernst auf dem Totenbett“ im Mausoleum, das Anton Boten zugeschrieben wird, entstand offenbar unmittelbar nach seinem Ableben. Die Bekleidung (Mütze, Schlafrock) des aufgebahrten Leichnams sind nahezu identisch mit der Totenbekleidung des von Fürst Ernst verehrten Kaisers Rudolf Il. in Prag
Nachdem 1601 Ernst von Holstein-Schaumburg (1569-1622) überraschend die Landesherrschaft erlangt hatte, sollte sich bald zeigen, dass er sich für diese Rolle außerordentlich eignete. Er reorganisierte die Staatsverwaltung, ließ eine neue Kirchenordnung (1614) und Polizeiverordnung (1615) in Kraft treten.
Auch errichtete er in Stadthagen in den Klausurgebäuden des aufgelösten Franziskanerklosters ein Gymnasium illustre, das bald zur Universität erhoben und dann nach Rinteln verlegt wurde. Seine geschickte Finanz- und Wirtschaftspolitik versetzten ihn in die Lage, eine umfassende Bautätigkeit aufzunehmen.
Der hoch gebildete Ernst unternahm 1589-1591 seine erste Italienreise, die ihm die klassische Kunst der Renaissance vermittelte. Reisen in die spanischen Niederlande sowie an den kaiserlichen Hof in Prag erweiterten seine Kenntnisse. Die glanzvollsten Höfe Europas lernte er durch eigene Anschauung kennen.
Schon in frühen Jahren war er sich der Endlichkeit alles Irdischen bewusst. Deshalb plante er seit 1608 den Bau seines Mausoleums in Stadthagen. Dank seiner guten Beziehungen zu den einflussreichsten Höfen in Prag, München und Dresden konnte er auf die besten Fachleute und Künstler seiner Zeit zurückgreifen.
Die Idee, für sein zukünftiges Grabmal einen monumentalen Kuppelbau zu errichten, scheint von Graf Ernst (ab 1619 Fürst Ernst) selbst zu stammen. Inspirieren ließ er sich von der Grabkapelle der Mediciherzöge in Florenz, der Cappella dei Principi an der Kirche San Lorenzo. Den Entwurf für das Mausoleum in Stadthagen lieferte Giovanni Maria Nosseni, der Hofarchi-tekt in Dresden.
Den bedeutendsten Bronzebildhauer seiner Zeit fand er in Adriaen de Vries (1556-1626), der von 1618 bis 1620 alle Bronzen einschließlich der überlebensgroßen Christusfigur in Prag goss und nach Stadthagen verschiffen ließ.
Das insgesamt neunzehnteilige Bronzeensemble hat Ernst noch gesehen, bevor er am 17. Januar 1622 starb. Die Fertigstellung seiner Grabstätte erlebte er jedoch nicht mehr. Erst seine Ehefrau Hedwig vollendete 1627 mit Hilfe des an Stelle von Nosseni beauftragten Architekten und Malers Anton Boten das Mausoleum, das als ein außerordentliches Gesamtkunstwerk von europäischem Rang gewertet wird.
Über der Gruft, in der Mitte des Mausoleums, steht das bronzene Grabmonument von Adriaen de Vries. In Sockel und Sarkophag sind Reliefs eingelassen, die Fürst Ernst und seine Leistungen hervorheben Eindeutig im Mittelpunkt steht aber der auferstandene Christus. Sein rechter Arm ist zum Segensgestus erhoben, in der linken Hand hält er die Siegesfahne.
Die Auferstehung Christi ist das grundlegende Bekenntnis des Christentums. Noch steht der Auferstandene auf dem Alabastersarkophag, doch gestaltete Adriaen de Vries den von vier Engelsfiguren umgebenen Jesus so lebendig und kraftvoll, dass der Eindruck eines Auffahrens in den Himmel vermittelt wird.
Jesus, hier noch körperliche Menschengestalt, wird aufsteigen zum Licht, zu Gott.
Das Osterereignis ist die frohe Botschaft für alle Menschen, auch für Fürst Ernst.
Als lutherischer Christ ließ er vor dem Hintergrund dieser Hoffnung das Mausoleum gestalten.
Vierundzwanzig Meter misst die lichte Höhe des siebeneckigen Mausoleums.
Als Hallenbau gemäß dem spätantiken Architekturideal konzipiert, bilden Kuppel und Laterne den krönenden Abschluss.
Ein Himmel mit einem Reigen aus 14 musizierenden Engeln wird durch die Laterne (lat. Leuchter, Fackel) mit sieben Fenstern beleuchtet. Den Schlussstein in der Mitte bildet ein siebeneckiger Stern mit dem Nesselblatt, dem Schaumburgischen Familienwappen. In dieser himmlischen, lichtdurchfluteten Sphäre schweben nochmals sieben Engel und blicken auf die Auferstehungsszene herab.
Die musizierenden Engel in den Kuppelfeldern sind eine Freskomalerei von Anton Boten. Das Seelengeleit durch Engel ist eine alte, vertraute Vorstellung. Nach Lukas 16,22 wird der Verstorbene von Engeln in Abrahams Schoß getragen. Auch in Ostergeschichten spielen Engel eine Rolle.
So wird der verstorbene Fürst von musizierenden Engeln in Gottes Ewigkeit geleitet.
In den sieben Kuppelfeldern erkennen wir fünf Blasinstrumente (Querflöte, Pommer, Fagott, Zink und Posaune), zwei Streichinstrumente (Geige, Kontrabassgambe), ein Spinett und fünf Zupfinstrumente (Harfe, Laute, Chitarrone, Cister und Bandura). Es handelt sich um typische Musikinstrumente der Renaissance, die auch von Ernsts Hofkapelle in Bückeburg gespielt wurden. Auf dem Spinett lesen wir in lateinischer Schrift: Surrexit CH AIl (= Christus ist auferstanden, Halleluja!).
Nicht nur die Architektur des Mausoleums ist an die italienische Hochrenaissance angelehnt. Auch die beiden sehr großen Ölgemälde von Anton Boten
(1590-1636), die ebenfalls die Auferstehung thematisieren, sind eine stilistische „Imitatio“ der italienischen Malerei.
In seiner Wahl der Farben und Figuren war Anton Boten von Veronese und Rottenhammer inspiriert.
Anton Boten, den Fürst Ernst zur Ausbildung nach Italien geschickt hatte, lernte in Venedig die hellen, ungebrochenen Farben kennen, die besonders das Bild der Auferweckung des Lazarus auszeichnen.
Adriaen de Vries (1556-1626), Kupferstich von Simon Wynouts Frisius, um 1610
De Vries (= der Friese), geboren in Den Haag, ist für seine „bewegten, überlangen“ und in sich gedrehten Bronzen (figura serpentinata) berühmt. Als Manierist steht er in der Nachfolge von Michelangelo. Das 19-teilige Bronzeensemble im Mausoleum wird als der Höhepunkt seiner künstlerischen Entwicklung gewertet.
Die Renaissance begann in der Grafschaft Schaumburg 1533 mit Bau des Stadthäger Schlosses durch Graf Adolf XIII. Ihren krönenden Abschluss fand sie mit Errichtung des Mausoleums (1622-1627) durch seinen Neffen, den späteren Fürst Ernst.
Obwohl der Fürst seine Residenz in das benachbarte Bückeburg verlagert hatte, beschloss er, dass die St. Martini-Kirche in Stadthagen auch weiterhin die Grablege der Herrscherfamilie bleiben sollte und ließ am Chorscheitel der Kirche das Mausoleum errichten.
Er plante ein überaus prachtvolles Familiengrab für sich selbst, seine Frau Hedwig und seine Eltern. Er tat dies aus religiösen Gründen, gleichzeitig sollte das Mausoleum aber auch als „Memorie“ an das aussterbende Geschlecht der Holstein-Schaumburger – seine Ehe war kinderlos geblieben – so kostbar wie möglich gestaltet sein.
Am 9. März 1608 schrieb er an den Dresdener Architekten Giovanni Maria Nosseni, er habe vor, „ein klein Capellen für vier Personen zur begrebnus von neuem erbauen zu lassen.“
Das Grabmal wurde ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Werk: Von Nosseni als Achteck entworfen, entschied sich Ernst nach tiefgehenden Auseinandersetzungen mit seinem Architekten für einen siebeneckigen Grundriss. Weltweit ist das Mausoleum der einzige siebeneckige Zentralbau.
Spätrömische Architekturelemente sieht man außen wie innen: Blendnischen, korinthische Kapitelle, Pilaster oder der Gebälkaufbau folgen ebenso dem Ideal der antiken Kunst wie die vier Ädikulen (lat.
Häuschen) an der Innenwand.
Der zentrale Podestaufbau aus Marmor und Alabaster ist angelehnt an das Reiterstandbild des Mark Aurel auf dem Kapitol in Rom. Acht antike Marmorsäulen (sog. Spolien) erwarb Fürst Ernst unter Aufwendung hoher Geldmittel von einem Mailänder Antikenhändler. Auch der Marmorfußboden ist ein Meisterwerk der Steinmetzkunst.
Schwierigkeiten und Sorgen um seine Grablege gipfeln in einem Ausspruch von Fürst Ernst in seinem Todesjahr 1622: „Ach mein Begräbnis, mein Begräbnis..“
Text: Dr. Klaus Pönnighaus, Dr. Udo Jobst